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Umnutzung einer Hofstelle zu Gewerbe und Wohnen
Wiederaufbau und Neubelebung einer ehem. Hofstelle, Heiligenberg
Historie
Über Jahrzehnte prägte der Stark Hof als wohlhabender Landwirtschaftsbetrieb einen Weiler in der Gemeinde Heiligenberg. Seit der Jahrtausendwende trübte sein zunehmender Verfall das Ortsbild deutlich. 2014 erwarb eine Bauherr*innengemeinschaft die verfallene und verwilderte Hofstelle mit dem Ziel, hier gemeinschaftlich Wohnraum für mehrere Generationen zu schaffen ohne zu zunehmendem Flächenverbrauch und Versiegelung beizutragen. Darüber hinaus sollte das Familienleben mit dem mittelständischen handwerklichen Familienbetrieb verbunden werden.
Konzeption
In mehreren Bauabschnitten wurde das Gelände strukturiert, bestehende erhaltbare Gebäude gesichert und erneuert, der ehemalige Kuhstall als kombiniertes Werkstatt-Büro-Wohngebäude wieder aufgebaut und das Bauernhaus grundlegend saniert und ausgebaut. Zentral für die Planung und Gestaltung waren Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung, die Bewahrung des bäuerlichen Charakters der Hofstelle und zeitlose Gestaltung, sowie ein ausgewogenes Verhältnis privaten Rückzugsraums und gemeinschaftlicher Flächen. Herausforderungen waren die Abwägung zwischen Erhalt von bestehender Bausubstanz und Neubau, die Ineinklangbringung unterschiedlicher persönlicher Bedürfnisse der Bauherr*innen in Bezug auf Privatwohnraum einerseits und Zusammenspiel von Wohn- und Betriebsfläche andererseits, sowie Abwägungen zur ökonomischen und zeitlichen Effizienz.
Gebäude
Die Realisierung spiegelt deutlich die Ziele der Konzeption wieder: die Gebäude nehmen die Dimensionen und Formensprache der ursprünglichen Hofgebäude auf und ergänzen diese dezent und ausgewogen um nach innen eine moderne und effiziente Raumnutzung zu erzielen und sich nach außen harmonisch in das Dorfbild einzugliedern. Die in Holzrahmenbauweise errichteten bzw. aufgestockten Gebäude erhöhen die Anzahl der Wohneinheiten von ursprünglich einer auf sechs. Die Diversität in Größe und Raumaufteilung geht auf unterschiedliche Lebensrealitäten und Wohnbedürfnisse ein, zukünftige weitere Unterteilungen der größeren Wohnungen sind bereits mit bedacht, ebenso die etwaige Nachrüstung mit einem Außenlift für Barrierefreiheit im Alter. Die Satteldächer sind mit traditionellen Biberschwanzziegeln, zum Teil wiederverwendet aus dem vorherigen Abbruch, gedeckt, die unregelmäßige Vertikalverschalung aus heimischen Hölzern ist ein Beispiel für gekonnte moderne Interpretation traditioneller Elemente. Großzügige Fenster mit hochwertigen Holzrahmen bieten von innen einen ansprechenden Blick in die weite Landschaft. Die vertikalen Lamellen des umlaufenden Balkons fungieren als zweite Haut und gewährleisten Ausblick bei gleichzeitigem Sichtschutz von außen.
Deutliche Dachüberstände tragen zum Witterungsschutz der Fassade bei und wirken der Erhitzung der Innenräume durch Sonneneinstrahlung entgegen. In den Innenräumen gewährleistet ein ökologischer Lehmputz dank seiner Feuchtigkeitsregulierung in Kombination mit Fußboden- bzw. Wandhüllenheizung (unter Putz) ein gutes Raumklima. Die reduzierte Materialpalette beim Innenausbau ermöglichte eine effi ziente Bauphase und stellt die individuell maßangefertigten und hochwertigen Holzausbauten in den Mittelpunkt. Eine mit Holzabfällen aus dem angesiedelten Handwerksunternehmen betriebene zentrale Hackschnitzelheizung und eine leistungsstarke Photovoltaikanlage auf den Betriebsgebäuden decken den gesamten Energiebedarf der Bewohner und des Handwerksbetriebs.
Außenbereich
Die Gestaltung des Außengeländes erfolgte bewusst naturnah und ökologisch. Die hofabgewandt liegende Gartenanlage ist das Kernstück der Nachbarschaft, die Gebäude bilden eine Trennung zum eher wirtschaftlich geprägten vorderen Hofbereich. Der alte Baumbestand, dominiert von Walnuss- und Apfelbäumen, wurde erhalten und durch weitere Obstbäume ergänzt. Gemeinsam mit der erneuten Nutzbarmachung des traditionellen Bauerngartens, einem Hühnermobil und der Beweidung der Grünfläche durch die saisonal angesiedelte Jungschafherde eines kooperierenden sozial-ökologischen Projekts wird so der bäuerliche Charakter des
Ensembles unterstrichen. Gemeinschaftlich genutzte Außenflächen, wie z.B. Spielplatz, Sauna, Feuer- und Grillstelle, fördern die sozialen Aspekte des Zusammenlebens und laden zum gemeinsamen Verweilen und Gesprächen ein.
Beitrag zur Dorfentwicklung
Durch die Umnutzung und Wiederbelebung einer existierenden Hofstelle trotz deutlichem Aufwuchs an Wohnraum ein negativer „Neubaugebiets-Effekt“ vermieden. Durch das Engagement der Bewohner und die neu zur Verfügung stehende multifunktional nutzbare Fläche in den sanierten Wirtschaftsbereichen des Hofs wurden wieder verstärkt soziale Treff en der Dorfgemeinschaft realisiert. Dem schleichend einsetzenden Rückbau der ÖPNV-Anbindung konnte durch die nun wieder anwesenden Schulkinder entgegengewirkt werden und unterstützt die Mobilität der älteren Dorfbevölkerung.